Burnoutist kein Beinbruch – doch was ist es dann?

Jetzt also doch… ein Beitrag über Burnout… das Thema wollte ich hinter mir lassen bzw. nicht aktiv ansprechen und darüber schreiben. Doch dann lauert es an jeder Ecke auf mich. Burnout und ich, wir begegnen uns ständig. In Form von Teilnehmern, die endlich wissen wollen, was es eigentlich ist. In Form von Coachees, die mitten drin sind oder dem Burnout gerade noch ein Schnippchen geschlagen haben. In Form von Menschen, denen ich beim Flirt mit dem Burnout zuschauen kann und wo ich sagen möchte „hey, fall nicht herein auf diese Masche!“.

Burnout und ich waren dicke Freunde in 2004. Meine Karriereziele fest im Blick und quasi erreicht, „hat es mich erwischt“. Das ist so formuliert natürlich Quatsch, denn ich habe sehr viel dafür getan, dass wir uns begegnet sind. Und ja, ich habe in einem Umfeld gearbeitet (führende Internet-Agentur), welches für einen Burnout günstig und einladend ist: absolute Dienstleistungs- / Kundenorientierung, hohe Projektgeschwindigkeit und Arbeitsdichte. Phasen der Routine: weniger.

Mit diesem Blogartikel möchte ich meine Meinung und Erfahrung äußern, als ehemals Betroffene und als Coach sowie Expertin für Selbstführung. Und mir liegt es am Herzen,  Klarheit zum Thema zu schaffen.

 

Die Grundthese: Burnout ist kein Beinbruch. Damit meine ich, dass es zum Einen nicht so leicht zu diagnostizieren ist wie ein Beinbruch. Zum Anderen meine ich damit die Redensart, dass es nicht schlimm ist, einen Burnout zu erleiden. Dies reflektieren die Betroffenen meist erst im Nachgang und sehen, wozu ein Burnout „gut“ war. So auch bei mir.

 

Was genau ist ein Burnout?

Die Diagnose »Burnout« gibt es doch gar nicht – sagen die Einen und das »ICD-10«. Das ICD 10 ist das Klassifikationssystem psychischer Störungen. Dort ist Burnout nicht als eigenes Krankheitsbild aufgeführt, sondern nur mit einer Zusatzziffer (Z 73.0) als „Zustand der totalen Erschöpfung“ aufgeführt. Demnach sind die wenigsten Krankschreibungen tatsächlich als „reiner Burnout“, sondern auf dem gelben Schein stehen dann meistens Diagnosen wie z.B. „depressive Episode (F32.0)“.

 

Und obwohl es noch keine Klassifizierung gibt, haben sich die Wissenschaftler auf drei Kernsymptome des Burnout-Syndroms geeinigt (Quelle Joachim Bauer „Arbeit“, S. 111):

a)    anhaltende emotionale Erschöpfung

b)    unüberwindbare, vorher nicht vorhandene Aversion oder Zynismus gegenüber den Menschen und / oder gegenüber den Aufgaben, mit denen man bei der Arbeit zu tun hat

c)    Leistungsabfall / Effizienzverlust

 

Diese drei Kernsymptome sollten über einen längeren Zeitraum kontinuierlich auftreten. Ein wichtiges Merkmal beim Burnout-Syndrom ist die mangelnde Erholungsfähigkeit, wir können uns nicht mehr regenerieren. So haben wir keinen Burnout, wenn wir uns Freitag Abend erschöpft fühlen, nicht mehr produktiv sind und auch ganz froh sind, die Kollegen ein paar Tage mal nicht mehr zu sehen. Denn im Normalfall erholen wir uns am Wochenende. Wenn wir auf Dauerspannung sind und uns nicht mehr erholen können, könnte dies ein Alarmzeichen sein.

 

Ich persönlich habe damals gedacht, dass ich eine Grippe habe: ich war sehr erschöpft und kränklich, konnte mich nicht mehr konzentrieren und hatte durchaus die eine oder andere Aversion. Meine Hausärztin hat zunächst alle körperlichen Krankheiten durch viele Checks ausgeschlossen, bevor sie dann zur Verdachtsdiagnose „Burnout“ kam und mich an die Psychotherapeuten weiterempfohlen hat. Trotz Krankschreibung habe ich dennoch weiter gearbeitet – Mobiltelefon und Home-Office empfand ich als „in“ und ich wurde ja gebraucht, schließlich hatte ich ja eine Urlaubsvertretung zu erledigen. Irgendwann ging dann wirklich gar nichts mehr. Und das ist kennzeichnend: es ist eine Erschöpfung auf allen Ebenen. Wenn ich Geschichten und Erfahrungen höre, „mein Nachbar hat angeblich einen Burnout, aber er renoviert gerade sein Haus“, dann macht mich dies wütend, weil es nicht stimmen kann. Menschen, die wirklich einen Burnout haben, sind froh, wenn sie es zum Einkaufen schaffen.

 

 

 

 

 

Was ist der Unterschied zur Depression? 

Zunächst einmal: es gibt sehr unterschiedliche Formen der Depression (genetisch veranlagte Depression, Alters-Depression, Wochenbett-Depression, …). Burnout hat einen klaren Ausgangspunkt im Arbeitskontext, Depressionen nicht. Ein Burnout-Betroffener hat im Anfangsstadium einen hohen Grad an Energie und Antrieb, erst zum Schluss eines Burnout-Phasenverlaufes erschöpft sich diese Energie und im Endstadium eines Burnout sprechen die Wissenschaftler von „Erschöpfungsdepression“.

Depressionen sind gekennzeichnet durch vergleichsweise wenig Energie und Antrieb. Mir hat folgendes Bild bei der Unterscheidung geholfen: 

  •  Ein Burnout-Betroffener erschöpft sich beim Rennen; er rennt hinter seinen Zielen hinterher.
  •  Ein Depressions-Betroffener geht und rennt nicht los, weil er es sich nicht zutraut.

Wie kann ein Burnout entstehen? Wie erkenne ich einen Burnout? 

Die Anfangsphasen des Burnout sehen vor allen Dingen für Unternehmen verlockend aus: Am Anfang steht nach Herbert Freudenberger und seinem 12-Phasenmodell immer der Zwang sich zu beweisen. Dieser Zwang ist in der Person und unabhängig vom Umfeld. Es ist der Zwang, es immer perfekt machen zu wollen oder es immer allen recht machen zu wollen (vgl. Theorie der Antreiber). Durch diesen Zwang zeige ich einen verstärkten Einsatz: ich arbeite mehr, delegiere weniger, bin übermäßig erreichbar (z.B. auch im Urlaub) und melde mich freiwillig für zusätzliche Projekte. Mal ehrlich: Als Führungskraft und Unternehmer sind diese Mitarbeiter doch sehr willkommen!

Da ich mehr arbeite, vernachlässige ich immer mehr meine eigenen Bedürfnisse. Dies kann recht banal mit dem Ausfall des Mittagessens anfangen bis hin zur Vernachlässigung von Ruhe- / Schlafzeiten sowie körperlichen und sozialen Bedürfnissen. Daraus folgen dann im nächsten Schritt die Leugnung von Problemen und Umdeutung von Werten – ich möchte mich weiter gut fühlen, sortiere mich innerlich neu, damit ich mein neues Verhalten vor mir rechtfertigen kann. Typisches Zeichen: wenn mich jemand anspricht, was denn los sei, da ich so angespannt und verändert wirke, sage ich „alles in Ordnung“. Die nächsten Phasen gehen dann über den Rückzug und stark beobachtbaren Verhaltensänderungen hin zu innerer Leere, Depression und völliger Erschöpfung. Begleitet werden diese 12 Verhaltensphasen zumeist durch körperliche Symptome, die individuell ganz unterschiedlich sein können.

Mir ist vor allen Dingen wichtig zu erwähnen, dass Menschen, die diese Phasen durchlaufen und von Anfang an weiterhin diesen Zwang haben, sich zu beweisen. Das bedeutet: Ein Burnout ist von Außen extrem schwer zu erkennen, weil die Betroffenen viel dafür tun, das leistungsfähige Fremdbild mit allen Mitteln aufrecht zu erhalten. Und auf einmal geht dann nichts mehr. Aus eigener Erfahrung und aus den Berichten meiner Kunden kenne ich die Aussage „Von der/dem hätte ich das nie gedacht, der/die war immer total fit und auf einmal war sie/er nicht mehr da.“

 

Was kann ich tun?

Seien Sie sich Ihrer Antreiber, Ihrer inneren Peitschen bewusst und fragen Sie sich: Ist das ein Zwang, dass ich mich beweisen möchte oder ist es ein Wunsch? Ein Wunsch ist okay.

Achten Sie auf Ihre Bedürfnisse und nehmen Sie diese ernst. Gehen Sie einen Schritt zurück, wenn Sie merken, dass Sie länger als 2-3 Wochen Ihre eigenen Bedürfnisse vernachlässigen. Seien Sie dankbar für Feedback von Ihren Liebsten und fordern Sie auch Feedback von Ihren „Vertrauenspersonen“ ein. Gehen Sie innerlich auf Distanz zu sich und fragen Sie sich öfter mal, wie Sie sich fühlen, ob das intelligent ist, so wie Sie arbeiten und sich verhalten (oder auch verausgaben). Fragen Sie sich regelmäßig, wie voll Ihre Akkus sind. Seien Sie ehrlich zu sich selbst.

Meine persönliche Erfahrung mit Mr. Burnout hatte ein Happy-End. Zunächst einmal habe ich in meiner ersten Therapie-Stunde nichts von Burnout gehört sonder erfahren, dass ich eine „Wertekrise“ habe, sprich: Die bisherigen Werte schmecken und passen mir nicht mehr. Damit konnte ich sehr gut arbeiten. Vielleicht, nein, ziemlich sicher, waren es auch gar nicht meine eigenen Werte. So war es Zeit, einmal gründlich nachzudenken: Was ist für mich wirklich bedeutsam, wie möchte ich leben, wie möchte ich arbeiten? Welche Ansprüche gibt es von mir selbst, welche von meinem Umfeld? Was davon ist okay und welche möchte ich überprüfen?

Das alles brauchte seine Zeit, vielmehr Zeit als mein innerer Zwang mir vorpredigte. So empfinde ich meinen Burnout wirklich nicht als Beinbruch sondern als wichtigen Wendepunkt auf meiner Lebensreise.

 

 

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