(english version below) „Ich weiß genau, wie ich mich austrickse. Mir das Leben schwer mache. Statt eine Aufgabe einfach anzufangen und zu machen, schiebe ich es immer weiter vor mir her. So gerate ich irgendwann unnötig unter Zeitdruck und muss mich richtig anstrengen und bestätige mein eigenes Muster, dass es nur gut ist, wenn es anstrengend ist. So unnötig!“ erzähle ich in einer Kaffeepause bei einer Masterclass im November 2018 zum Thema ganzheitliche Führung. Einen kurzen Moment komme ich mir recht blöd vor. Kurz darauf sehe ich jedoch viel Kopfnicken und höre von vielen „oh ich kenne das auch so gut bei mir“. Echt? Dann höre ich: Schau doch mal mit „compassion“ auf dich und die Situation. Okay, mache ich, notier ich mir. Und verstehe und fühle es Monate später, was genau das bedeutet.
„Compassion“ – Mit Gefühl durch’s Leben gehen
Compassion wird mit Mitgefühl, Anteilnahme und Mitempfinden übersetzt. Das klingt weichgespült und fernab einer Lösung für meine situative Aufschieberitis. In der englischen Sprache hört es sich kraftvoller an. Abseits der formalen Übersetzung lerne ich, dass es bei „compassion“ vor allen Dingen darum geht, sich selbst und andere mit dem Herzen zu betrachten. Aus dem Herzen heraus auf eine Situation zu schauen. Und vor allen Dingen auch: sich mit dem Körper verbinden, im Körper und im Herzen spüren, wie es sich anfühlt.
Kopf aus – Herz an
Also den Kopf mal ausschalten. Kognitiv verstehe ich das. Und mit ein wenig Übung verstehe ich es. Verstehen ist der unpassende Begriff. Ich spüre es. Zunächst beim Laufen. Wenn es zum Beispiel mal wieder nicht so läuft wie der Kopf eigentlich will. Dann bin ich mitfühlend. Mit meinem Körper, mit mir. Weil es eine anstrengende Woche war. Oder weil es eine anstrengende Einheit ist. Ich bin dann nachsichtiger mit mir. Dankbarkeit kommt hervor.
Eine sehr einprägsame Erfahrung machte ich vor ein paar Wochen. Eine sehr spannende und wirklich herausfordernde Kundenanfrage beschäftigt mich nicht nur tagsüber, sondern lässt mich in einer Nacht auch nicht schlafen. Doch statt auf mich wütend zu sein, wieso ich denn nicht schlafen kann, schaue ich mit Mitgefühl auf meine Gesamtsituation. Und fühle die Anspannung, die Neugierde, den Ehrgeiz in mir. Und gleichzeitig kommt ein tiefes Mitempfinden: Ich darf all das fühlen und denken. Es ist völlig okay. Ich spüre die Erleichterung direkt und schlafe ein.
Und auch wenn ich mich mal wieder in meiner Aufschieberitis verfange, gelingt es mir immer mehr, nicht so streng mit mir zu sein und Verständnis für mich zu haben. Das nimmt den Druck. Und ohne den geht es meistens besser.
Mit Gefühl sich selbst und andere führen
Was heißt das nun für den Business-Alltag? Sollen wir nun mit allem und jedem mitfühlend sein? Nein. Es geht nicht um eine Polarisierung, ein entweder oder. Es wäre schon viel geholfen, wenn wir alle ein wenig mitfühlender mit uns selbst sind. Hohe eigene Ansprüche, unnötiger Perfektionismus, kritische innere Dialoge – all diese inneren Druckmittel kennen wir zu genüge. Innerer Druck verspannt uns. Im Stress sind wir weniger offen und kreativ bei unseren Aufgaben, Dialogen und generell in Beziehungen. Oder über die Arbeit hinaus: wir sind unzufriedener und angespannter. Unsere Lebensqualität sinkt. Deshalb sollten wir ein wenig freundlicher und mitfühlender mit uns selbst sein. Insbesondere jetzt. Wir sind immer noch in einer speziellen Covid-19-Situation. Wir alle dürfen unsicher oder genervt sein. Absolut nachvollziehbar.
Und sind wir mit uns ein wenig mitfühlender fällt es leichter, nicht nur mit den Ohren zuzuhören, sondern auch mit dem Herzen bei einem anderen Menschen zu sein. Nicht nur kognitiv verstehen, was der andere sagt, sondern sich in die Gefühle des anderen hineinversetzen. Wie fühlt es sich, wenn du zum Beispiel hörst, dass jemand wütend auf dich ist oder wie erleichtert, froh oder stolz die Person ist? Was das wohl bringt fragt sich oft mein Verstand und meine Ungeduld. Doch wenn ich mich wirklich darauf einlasse, schafft eine Kommunikation mit Gefühl Verbindung und wirklichen Kontakt.
Mitgefühl: Wie geht es?
• Höre bei einem Gespräch einmal bewusst mitfühlend, mit dem Herzen zu.
• Wie fühlt sich das Gehörte für dich an? Was spürst du bei dir? Was meinst du, spürt die andere Person?
• Äußere deine Empfindungen, zum Beispiel wie viel Energie/Freude/Begeisterung oder auch Enttäuschung/Wut/Verzweiflung du beim Zuhören und beim Zuhörenden empfindest.
Bring deine Empfindungen ins Gespräch. Aus meiner Erfahrung heraus ist dies ein wichtiges Feedback für die andere Person. Auf zwei Ebenen. Zum Einen erfährt der Mensch, dass ihm nicht nur oberflächlich zugehört wird. Zum Anderen wird ein Kontakt mit den eigenen Gefühlen verstärkt, weil ein Abgleich statt findet: „Wenn du das so beschreibst und empfindest … ich fühle es noch ein wenig anders oder genau so.“ Die Wahrnehmung wird geschult und die Kommunikation wird verbessert. Und über allem steht: Wir sind mehr in Kontakt – mit uns und mit unseren Mitmenschen. Das gibt Energie. Probiere es einfach mal aus!
PS: Du hast Lust, das Thema Zuhören und Mitgefühl zu üben – in einem kleinen, sicheren Kreis? Dann melde dich bei mir unter . Ich plane in diesem Jahr noch einen Prototypen durchzuführen – 3 x 60 Minuten via Zoom.
ENGLISH VERSION
With feeling and compassion – how I feel better about myself and sleep better
“I know exactly how to trick myself. Make my life difficult. Instead of just starting and doing a task, I just keep putting it off. So at some point I get unnecessarily pressed for time and have to make a real effort and confirm my own pattern that it’s only good when it’s exhausting. So ridiculous!” I tell during a coffee break at a master class in November 2018 on the topic of holistic leadership. For a short moment I feel quite stupid. Shortly afterwards, however, I see a lot of nodding of the head and hear from many “oh I know this so well with me too”. Really? then I hear: Look with “compassion” at yourself and the situation. Okay, I will, I will make a note. And understand and feel it months later what it means.
“Compassion” – going through life with feeling
Compassion means to have empathy with someone. That sounds soft-spoken and far from a solution for my situational postponementitis. Away from the formal meaning, I learn that “compassion” is about looking at oneself and others with the heart. To look at a situation from the heart. And above all: connecting with the body, feeling in the body and in the heart how it feels.
Head off – heart on
So turn your head off. Cognitively, I know. And with a little practice, I can understand it. Understanding is the inappropriate term. I can feel it. At first when I run. For example, when things don’t go the way the head wants them to. Then I am sympathetic. With my body, with myself. Because it has been a strenuous week. Or because it is a challenging interval training. Then I am more indulgent with myself. Gratitude comes out.
Within my business life I had a very memorable experience a few weeks ago. A very exciting and really challenging customer enquiry not only keeps me busy during the day, but also keeps me awake at night. But instead of being angry with myself about why I can’t sleep, I look at my overall situation with compassion. And feel the tension, the curiosity, the ambition within me. And at the same time there is a deep compassion: I allow myself to feel and think all this. It is completely okay. I feel the relief directly and fall asleep.
And even if I get caught up in my procrastination again, I manage more and more to be less strict with myself and to have understanding for myself. That takes the pressure off. And without it things usually go better.
Leading yourself and others with feeling
So what does this mean for everyday business life? Should we now be compassionate with everything and everyone? No. It is not about polarisation, an either/or. It would help a lot if we were all a little more compassionate with ourselves. High own demands, unnecessary perfectionism, critical inner dialogues – we know all these inner pressures well enough. Inner pressure strains us. Under stress we are less open and creative in our tasks, dialogues and relationships in general. Or beyond work: we are more dissatisfied and tense. Our quality of life decreases. Therefore, we should be a little more friendly and compassionate with ourselves. Especially now. We are still in a special Covid-19 situation. We can all be insecure or annoyed. Absolutely understandable.
And if we are a little more compassionate with ourselves it is easier not only to listen with our ears but also to be with another person with our heart. Not only cognitively understand what the other person is saying, but also empathise with the feelings of the other person. How does it feel, for example, when you hear that someone is angry with you or how relieved, happy or proud the person is? My mind and my impatience often wonder what this brings. But when I really get involved, communication with feeling creates connection and real contact.
How could it work in concrete terms?
– During a conversation, listen with conscious compassion, with your heart.
– How does what you hear feel for you? What do you feel with yourself? What do you think the other person feels?
– Express your feelings, for example, how much energy/joy/enthusiasm or disappointment/ anger/despair you feel when you listen and when you listen to others.
Bring your feelings into conversation. In my experience this is an important feedback for the other person. On two levels. On the one hand, the person experiences that they are not just superficially listened to. On the other hand a contact with one’s own feelings is strengthened because a comparison takes place: “If you describe and feel this way … I still feel it a little different or exactly the same. The perception is trained and communication is improved. And above all, it says: We are more in contact – with ourselves and with our fellow human beings. That gives us energy. Just try it out!