Jetzt ist der Punkt, wo ich es endlich kann. Sechs Wochen war ich im Sommer mit meinem Mann und Bonustochter in den USA unterwegs, unter anderem in Alaska, Washington (Staat), Oregon sowie Kalifornien inkl. San Francisco, Silicon Valley, Carmel. Seit sieben Wochen sind wir zurück. Diese Zeit und den Abstand brauchte ich, um die vielen Eindrücke zu verarbeiten und Abstand zu gewinnen. Ich schreibe gerade an einem sehr ausführlichen Blogpost dazu, in welchem ich die Eindrücke und vor allen Dingen das „sensing“ zu verarbeiten. Heute gibt es einen kleinen Einstieg.
1. Wake-Up-Call: Notaufnahme statt Schreibtisch
Das Abenteuer fing bereits am Freitag an, bevor es am Sonntag überhaupt losging. Der Plan für den letzten Arbeitstag: Schreibtisch leer arbeiten, die letzten Kleinigkeiten finalisieren, zum Friseur, ein paar letzte Besorgungen, ein letzter Reviewtermin und dann werden Abwesenheitsassistenten und Mobilbox auf Urlaub eingestellt. Ein Frühstück habe ich mir verkniffen, ebenso eine Mittagspause. Die hat mein Körper dann radikal eingefordert. Im Apple Store in Hannover kollabierte ich und kam erst wieder im Rettungswagen zu mir. Nach sieben Stunden Notaufnahme mit diversen Untersuchungen entließ ich mich selbst mit der Selbstdiagnose: es muss eine massive Unterzuckerung gewesen sein (und keine Epilepsie). An sich habe ich ein sehr gutes Körpergefühl und kann meine Grenzen einschätzen. An diesem Tag habe ich die Signale nicht hören wollen. Mein Kopf hatte andere Pläne. Es war mir eine Lektion, an die ich mich immer noch täglich erinnere und meinem Körper nun noch besser zuhöre und das auch ernst nehme.
2. Wake-Up-Call: Alaska – alles anders als gedacht
Durch meine persönliche Erfahrung war ich per se noch nachdenklicher und sensibler als sonst gestimmt. Und auch demütiger und dankbarer für all die kleinen und großen Dinge, die während eines Tages „einfach so“ gut funktionieren. In Alaska war ich happy, so viel draußen und in der Natur zu sein. Und zugleich wurde ich insbesondere bei einer Bootsexkursion in die Fjorde der Kenai Peninsula immer stiller und ergriffener.
Vor uns krachten große Gletscherstücke mit einem großem Rums ins Wasser. Auf dem Exkursionsboot war es berührend still. Es war deutlich sichtbar, wie stark die Gletscher zuletzt geschmolzen sind. Ein paar Tage später lernten wir bei einer Raftingtour, dass es in Alaska die letzten Jahre überdurchschnittlich warm war, es keinen Frost mehr gab und so der Borkenkäfer die Winter überstanden hat. Ja. Der Borkenkäfer. Dieser wurde anscheinend von Europa über China nach Alaska „importiert“. Die Wälder in Alaska sind kaputt. Statt unserer extra für Alaska erstandenen Merino-Wäsche benötigten wir die meiste Zeit T-Shirts und kurze Hosen. Wir hatten bis zu 28°.
Die Frage, die ich mir seit der Konfrontation mit den Gletschern stellte ist:
Was muss noch passieren, dass wir der Natur wirklich zuhören statt wegzuhören? Dass wir die Situation ernst nehmen?
Seit den frühen 70er Jahren ist bekannt, wie sich das Klima durch die zunehmende Produktion/Industrialisierung/Konsumverhalten verändert und verändern wird. Die Botschaften der Wissenschaftler sind seit über 50 Jahren bekannt und verstärken sich – wieso hören wir nicht zu?
Die neue Frage: Was ist die Frage?
Wie unschwer zu lesen ist, haben mich bereits die ersten Tage unserer Reise sehr berührt. Was beide Wake-Up Calls verbindet ist letztlich ein kleiner Aha-Moment:
Es geht mehr darum, die richtigen oder auch besseren Fragen zu stellen. Es geht darum, in die Situation hineinzuspüren und zu fragen: Welche Frage stellt das Leben gerade?
Die Frage kann nicht mehr sein „Wie können wir Umsätze und Gewinne maximieren?“. Diese Frage geht auf Kosten der persönlichen und übergreifenden Gesundheit – also auch der Naturgesundheit.
Was wäre eine bessere Frage, was ist eine aktuelle Frage? Vielleicht
- Was müssen wir jetzt tun, um den Schaden an der Natur zu minimieren und was kann jeder Einzelne dafür tun?
- Was benötige ich/wir wirklich an Wohlstand und Konsum?
- Wie kann ein Unternehmen zusammen mit Mensch und Natur gut wirtschaften und möglichst wenig Schaden anrichten?
- …
Ich glaube, wir müssen weg von den Fragen nach besseren Zahlen und Prozessen hin zu Fragen, die mehr die Beziehungen und Werte in den Blick nehmen. Weniger Leistungsorientierung, mehr Zuwendung/Liebe/Mitgefühl.
Welche Fragen stellst du dir gerade und was wäre für dich eine gute/bessere Frage?
PS: Mir geht es weiterhin sehr gut. Sämtliche kardiologischen und neurologischen Untersuchungen sind unauffällig und die Ärzte haben meine Einschätzung bestätigt. Ich renne gesund und munter durch die Gegend und habe den nächsten Marathon im Blick.
PPS: Ich bin mir bewusst, dass ich/wir mit einer Flugreise die CO2-Emission auch nicht stoppen. Und ja, es gibt noch sehr viele Klima-Stellschrauben, die ich drehen kann. Mehr dazu in einem der nächsten Posts.
Quellen: Fotos privat | Die Frage “Welche Frage stellt das Leben gerade?” stammt sinngemäß von Viktor Frankl.
Eine Meinung zu “Was wäre passiert, hätte ich und wir alle mehr zugehört? Zwei Wake-Up Calls und eine neue Frage ”