Resilienz ist seit einiger Zeit ein neues Buzz-Wort, Resilienz-Trainings werden immer mehr angefragt. Und trotzdem mache ich nur ungern Resilienz-Trainings. Warum? Ich finde Resilienz zu einseitig gedacht. Und: Resilienz ist meines Erachtens keine Lösung für die heute Zeit.
Resilienz meint „psychische Widerstandskraft“ – resiliente Menschen können mit schwierigen Umständen, Rückschlägen und Belastungen gut umgehen. Sie haben Eigenschaften eines Steh-Auf-Männchens. An sich ist das doch gut, oder? Ja. Doch im Berufsalltag ist es nur die eine Seite der Medaille bzw. der Beziehung zwischen der Organisation und dem Mitarbeiter. Wie Thomas Gebauer in seinem Artikel „Das Paradox der Resilienz“ (in der Zeitschrift für Transaktionsanalyse 1/2016, S. 21 ff.) schreibt:
„Selbstverständlich spricht nichts dagegen, die Widerstandskraft von Menschen zu stärken. Und natürlich ist es notwendig, Menschen in ihrem Bemühen zur Seite zu stehen, sich vor Katastrophen zu schützen. Absurd wird es, wenn das Bemühen um Resilienz zur Rechtfertigung dafür herhalten muss, nichts mehr gegen die Ursachen von Krisen tun zu müssen. … und eben darin steckt das Paradox heutiger Resilienz-Konzepte: Sie stabilisieren genau jene Verhältnisse, an deren prekären Zustand sich das Bedürfnis nach Widerstand entzündet.“
Resilienz lässt die Verantwortung komplett beim Einzelnen, anstatt das Zusammenspiel zwischen dem Einzelnen und seiner Umgebung, zum Beispiel den Arbeitsbedingungen, zu betrachten. Wenn wir im Berufsalltag immer resilient sind, tolerieren wir dauerhaft schlechte, ungesunde Arbeitsbedingungen oder versuchen sie durch die individuelle Resilienz auszugleichen. Oder, um es mit dem Kutschensystem auszudrücken: Wir rüsten unsere Kutsche auf, stärken unsere Psyche bis zum Anschlag, so dass wir selbst die widrigsten Wege, seien sie noch so steinig oder steil, bewältigen können. Macht das Sinn? Nein. Denn wir können so resilient gar nicht werden, als das wir alles aushalten.
Resilienz ist zu einseitig gedacht und bleibt bei der Verantwortung des Einzelnen und erinnert an Fishermans Friend: „Sind sie zu stark, bist Du zu schwach.“
Anstatt dem Resilienz-Konzept biete ich das Salutogenese-Konzept an. Dies beschreibt Grundpfeiler der Entstehung von Gesundheit (Saluto = Gesundheit, Genese = Entstehung von). Gesundheit wird in diesem Konzept begriffen als Stimmigkeitsgefühl „es passt für mich“. Und dieses Gefühl von Stimmigkeit und Vertrauen in den Fluss des Lebens entsteht sowohl durch den Aufbau eigener Ressourcen als auch die Umgebungsbedingungen. Und wie die Umgebungsbedingungen / Arbeitsbedingungen Einfluss auf mich nehmen, hat einen Einfluss auf mich. Natürlich kann jeder auch selbst Einfluss auf sein Umfeld nehmen – es ist eine Beziehung, und keine Einbahnstraße. Das Zusammenspiel zwischen Umfeld und mir selbst erzeugt dann wiederum Gefühle.
Drei Grundgefühle bestimmen dann mein Stimmigkeits, mein Gesundheitsgefühl:
- Gefühl von Klarheit – Verstehe ich, was passiert?
- Gefühl von Kontrolle und Einflussmöglichkeit – Habe ich das Gefühl, dass ich meine Aufgaben bewältigen kann?
- Gefühl von Bedeutsamkeit – Habe ich das Gefühl, dass sich mein Einsatz lohnt?
Diese drei Fragen und die individuellen Antworten lassen mich gesund und zufrieden fühlen – oder auch nicht. Und wir können durch unser eigenes Verhalten, insbesondere als Führungskraft, Einfluss auf die Zufriedenheit unserer Mitarbeiter und Mitmenschen nehmen. Resilienz ist nicht die Lösung für objektiv stark belastende Arbeitsbedingungen, wie zum Beispiel mangelnde Informationen, wenig Entscheidungsspielräume, nicht nachvollziehbare Entscheidungen. Deshalb sollten sich alle Beteiligten fragen: Was ist mein Anteil an der Situation? Was kann ich für eine Verbesserung tun, sowohl als Mitarbeiter als auch als Führungskraft. Und wo ist für uns die Grenze der Resilienz? Was können wir in den Prozessen und in der Kommunikation ändern?
Wie sehen Sie das? Wie kann ich Sie unterstützen? Ich freue mich über Feedback.