Ich beginne den Beitrag direkt mit den Studienergebnissen: Zuhör-Trainings sind in ihrer Wirksamkeit bestätigt. Nicht nur, dass die tatsächlichen und direkten Zuhörtechniken sich verbessern. Sondern darüber hinaus mit nachgelagerten und dauerhaften Effekten, wie zum Beispiel verbesserten Arbeitsbeziehungen, einem reduzierten Erschöpfungsgefühl oder auch verminderten Gedanken, den Arbeitgeber zu wechseln. Doch damit bleiben die fantastischen Ergebnisse nur auf der kognitiven Ebene. Vielmehr schlage ich vor, dass du kurz innehältst und dich fragst, wie es auf dich wirkt, wenn dir zugehört wird.
Erinnere dich, als dir das letzte Mal jemand aufmerksam zugehört hat. Wann war das, wer hat dir zugehört? Wie hast du dich danach gefühlt?
Vielleicht geht es dir dabei wie mir. Wenn ich mich gehört fühle, entspanne ich mich. Manchmal finde ich es im ersten Moment komisch oder ungewohnt, dass mir jemand zuhört, mich ausreden lässt. Doch wenn es dann passiert und ich Zeit habe, meine Gedanken zu äußern, spüre ich eine direkte Ent-Lastung und Ent-Spannung. Zum einen weil ich das, was mich beschäftigt, losgeworden bin. Oder sogar noch mehr: beim Aussprechen sind neue Gedanken gekommen. Ich erkenne neue Lösungen oder auch Bestätigungen. Durch das Zuhören spüre ich, dass die andere Person für mich in diesen Minuten komplett da ist. Dass es so okay ist, was ich gesagt habe und wie ich in diesem Moment die Welt, meine Welt, meine Beziehungen, meine Belastung wahrnehme.
Ich bin im Herzen überzeugt und erlebe es fast täglich, dass Zuhören wirksam ist und dass Zuhören für sehr viele Probleme die Lösung ist. Dies ist nun nicht mehr nur ein Gefühl, sondern habe ich auch eindrücklich in einer Studie für den Kopf nachlesen können. Schon 2022 wurde diese Studie veröffentlicht, vor kurzem habe ich sie auf LinkedIn entdeckt und nachgelesen.
Untersucht wurde der Effekt von mehrmoduligen Zuhörtrainings in Bezug auf drei Thesen:
- Zuhör-Training verbessert die Arbeitsbeziehungen untereinander.
- Zuhör-Training reduziert die emotionale Erschöpfung und Burnout-Gefahr bei MA.
- Zuhör-Training reduziert die Wechsel-Absicht von Mitarbeitenden.
Die Teilnehmenden nahmen an mehrmoduligen Zuhörtrainings (fünf Module à 3 Zeitstunden) teil. Die Vergleichsgruppe nahm an keinem Training teil. In einer zweiten Testreihe erhielt die Vergleichsgruppe fünf Module mit einer Mischung aus Impulsvorträgen zu verschiedenen Themen und moderiertem Austausch untereinander. Die Ergebnisse sind eindeutig und relevant.
Die Teilnehmer des Zuhörtrainings …
- verbesserten signifikant ihre Zuhör-Fähigkeiten.
- empfanden deutlich weniger emotionale Erschöpfung und sanken somit ihr Burnout-Risiko.
- fühlten sich mit dem Arbeitgeber verbundener und hatten weniger Wechsel-Absichten.
Diese Effekte waren nicht nur während des mehrmoduligen Trainings spürbar. Darüber hinaus zeigte sich, dass diese positiven Effekte auch mit zeitlichem Abstand nach dem Training stabil waren. Und: nahm die Kontrollgruppe an der Impulsreihe teil, hatte dies keinen Effekt.
Was ist also der Unterschied und die Wirksamkeit des Zuhörens – statt nur des Anhörens von Impulsen und dem moderierten Austausch? In der Kontrollgruppe wurde nicht das Zuhören geschult, sondern den Menschen wurde Zeit gegeben, sich zu einem Thema auszutauschen. Doch das explizite Trainieren der Zuhörfähigkeiten blieb aus. Somit fand ein wesentlicher Punkt nicht statt: sich bewusst der anderen Person zuzuwenden, sie nicht nur zu hören, sondern ihr zuzuhören.
Die Forscher leiten ab, dass die positiven Effekte des Zuhörens im direkten Erleben einer sozialen und emotionalen Unterstützung eines Kollegen bzw. einer Kollegin liegen. Indem eine Person jemand anderem zuhört, ist dies eine unmittelbare emotionale und soziale Unterstützung. Und diese Unterstützung ist ein Kernelement, um psychische Erschöpfung abzupuffern.
Zuhören muss trainiert werden, denn die Realität ist, dass die Zuhörkompetenzen meistens zu wenig ausgeprägt sind. Die Forschenden schreiben „listening training is a valuable element of training for teamwork as indicated by an increased sense of relatedness to one’s colleagues” – also dass sich Zuhören insbesondere als Teamtraining eignet, um die Beziehungen und das Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken. Und
„training for listening should be a goal of any HR department that wants to improve relations in the workplace.”
Die Studienergebnisse sind eindeutig. Es spricht rein gar nichts dagegen, in Zuhören zu investieren. Im Gegenteil. Fünf Module mit jeweils drei Stunden sind gut in den Alltag zu integrieren. Zuhören ist etwas, was jeden Tag erlebt oder nicht erlebt wird. Was jeden Tag motiviert oder frustriert. Zuhören ist für mich einfach sehr nah an der Realität in einer Zusammenarbeit und daher wirksamer als theoretisch über Führung und Zusammenarbeit zu sprechen.
So wird es bald in meinem Portfolio eine Learning Journey mit fünf Modulen zum Thema Zuhören zu geben. Und die Studienergebnisse kommen direkt in Impulsvorträge. Klingt interessant und du hast Interesse, dich zum Thema Zuhörkompetenz in deiner Organisation auszutauschen? Dann schreib mir (kontakt(at)ankevonplaten.de) und wir schauen nach einem unverbindlichen Termin.
Quelle: Itzchakov, G., Weinstein, N., & Cheshin, A. (2022). Learning to listen: Downstream effects of listening training on employees’ relatedness, burnout, and turnover intentions. Human Resource Management, 1–16. https://doi.org/10.1002/hrm.22103