Macht im Selbst-Management– Wir brauchen einen Strandkorb ohne WLAN

Konferenzen sind hervorragend, um über den eigenen Tellerrand hinauszublicken und die Entdeckungen mit den eigenen Themen zu verknüpfen. So ging es mir Mitte Mai, als ich zwei Tage über das Thema „Macht im Management“ diskutiert und reflektiert habe. Wie steht es um die Macht im Management?

 

Die Arbeitsbedingungen ändern sich, Hierarchien werden flacher, Arbeitsplätze werden mobiler, Teams organisieren sich selbst – ohne eine benannte Führung. Somit ändern sich auch die Machtverhältnisse: Die Disziplinarmacht als „Macht des Sollens“ nimmt ab. Werte wie Selbstverantwortung und Selbstbestimmung nehmen zu, auch durch die allgegenwärtige Digitalisierung – die Grenzen zwischen Arbeit und dem Rest verwischen immer mehr. Nichts Neues. Das allgegenwärtige Thema der „Entgrenzung der Arbeit“ langweilt doch schon… Und dennoch lohnt ein zweiter Blick. Denn Grenzen haben ja auch etwas Gutes: Ich weiß wo ein Anfang und ein Ende ist und in welchem Bereich ich mich bewegen kann und vielleicht auch wann eine Aufgabe erledigt ist. Ich kann meine Energie einteilen, anstatt grenzenlos zu sein. Manchmal ist es ganz charmant, ein angeketteter Elefant zu sein.

 

Was passiert, wenn diese Grenzen nicht mehr deutlich sind oder sogar wegfallen? Wenn der „Pflock“ der disziplinarischen Führung entfällt? Wenn es keine disziplinarische Macht mehr gibt? Wenn wir immer mehr dürfen, was wir wollen? Wenn uns keiner mehr eine Grenze setzt? Dann liegt es alles in unserer Hand, wie wir leben, wie wir arbeiten, wie und ob überhaupt wir unsere Ziele erreichen. „Yes, we can“ ist das Mantra unserer Zeit – schreibt Byung-Chul Han (z.B. in Psychopolitik). Wer scheitert oder seine Möglichkeiten nicht nutzt, ist selbst schuld. Klingt auf den ersten Blick logisch und charmant: Endlich das tun, was ich will. Alles ist möglich, jede Challenge wird angenommen. Das ist „Psychomacht“ – die „Macht des Könnens“ – yes, we can. Wir können noch schneller rennen, noch besser werden, uns noch mehr optimieren, sei es durch vegane Ernährung, mehr Sport (Marathon ist out, jetzt muss es schon ein Ironman sein), und totale Vernetzung.

 

Wir machen uns selbst kaputt, ohne dass es jemand von uns fordert. Dahinter steckt die kindliche Annahme, dass wir unbegrenzt Energie haben und uns wie ein Handy mit der Steckdose aufladen können. Falsch. Unsere Energiereserven sind begrenzt. Wir müssen nicht an die Steckdose. Ganz im Gegenteil, wir brauchen einen mentalen Strandkorb, ohne WLAN. Abstand nehmen. Sich mal selbst reflektieren, wer da gerade die Macht über mich hat, wer das Kopfkino steuert, das Hamsterrad dreht oder die Zügel in der Hand hat. Das hat nichts mehr mit Selbstmanagement zu tun. Selbstmanagement ist Selbstoptimierung. Das können wir gut. Was wir brauchen ist wieder eine gepflegte innere Grenzlinie, bis wohin wir unsere Energie ausgeben. Wir brauchen ein gesundes Maß an Selbstabgrenzung. Und diese Selbstwahrnehmung, die Selbstverantwortung und dann die Selbstregulation und –Abgrenzung – das ist für mich Selbstführung.

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