In großen Bahnhöfen möchte ich nicht mehr in die Buchhandlungen gehen. Denn obwohl ich mir vorher immer fest vornehme, „einfach nur zu schauen und nichts kaufen“, kann ich meistens nicht widerstehen. So auch im November. Das Buch „Denken wie ein Buddha – Achtsamkeit und Gelassenheit im Alltag“ sprang mir so ins Auge, dass ich es einfach mitnehmen musste. In den beiden mehrstündigen Zugfahrten zum und vom Kundentermin las ich es fast durch. Und war begeistert. Dann genervt. Und dann wieder begeistert.
Begeistert, weil die vorgestellte Methode so einfach ist: Sich öfter im Tagesverlauf zehn Sekunden Zeit nehmen, um etwas Gutes wirklich zu fühlen. Das kann der Geschmack des Kaffees sein. Das Vögelgezwitscher. Das zufriedene Gefühl, eine Aufgabe erledigt zu haben.
Danach bin ich genervt, weil die Methode so einfach ist. Ich beobachte mich beim Denken: Zehn Sekunden achtsam sein – das ist alles? Dafür lese ich 200 Seiten? So neu ist das ja nun auch nicht. Wieso suche ich eigentlich immer noch nach weiteren Methoden? Wieso glaube ich, dass ein weiteres Buch sowohl mir als auch meinen Kunden weiterhelfen wird?
Fast wütend (eher auf mich als auf den Autor) stelle ich das Buch in meinen Schrank. Und mache den Praxistest. Denn wenn ich so emotional reagiere, scheint es mich an einem wunden Punkt zu berühren. Tatsächlich ist das so. Der Autor Rick Hanson beschreibt, dass es darauf ankommt, die angenehmen Momente nicht nur zu registrieren, sondern wirklich zu fühlen. Wenn wir sie nur registrieren, bleiben sie nicht hängen in unserem Gehirn. Fühlen wir sie, speichern wir sie ab.
Bisher war ich super in Listen schreiben – von guten Dingen, die passieren oder meinen Erfolgen. Kognitiv alles registrieren kann ich.
Es wirklich wirklich fühlen … nur 10 Sekunden … ungewohnt … ich probiere es aus. Tagsüber oder spätestens abends vor dem Einschlafen.
Am Schreibtisch mache ich besonders gerne folgende 10 Sekunden:
Ich richte mich bewusst auf, setze mich aufrecht hin, Schultern zurück und fühle meine Freude (oder auch Zufriedenheit, Erleichterung, Kreativität) über eine erledigte Aufgabe oder wie ich einen Schreibprozess gerade genieße. Das ist nicht nur gut für den Rücken. Sondern auch für die innere Haltung. Sitze ich aufrechter, fühle ich mich energievoller, souveräner und selbstbewusster für die nächsten Schritte. Die körperliche Haltung wirkt sich auf die Psyche aus, das spüre ich direkt.
Ich bin begeistert, denn ja: wirksame Techniken dürfen leicht sein. Es geht darum, es wirklich zu tun! Ich merke nach ein paar Wochen „Training“ positive Effekte: Ich fühle das Gute mehr statt es einfach nur aufzuschreiben. Genieße den Kaffee noch mehr.
Und: Mir fallen immer mehr gute, schöne Aspekte auf, die es wert sind, zu fühlen.
In diesem Sinne: Feel it!