Ruhig bleiben: Bedienungsanleitung für einen klaren, ruhigen Kopf

Hilflos, überfordert, erstarrt, unsicher, ängstlich, freudig, wieso jetzt, jetzt erst recht, entspannt, ignorierend, optimistisch … meine Gedanken und Gefühle drehen sich im Kreis. Hin und her, vor und zurück. Zwischen den Polen von Existenzangst und einem tiefen Vertrauen in den Fluss des Lebens. Was hilft mir? Ruhig bleiben, eine Struktur für den Tag und für den Kopf haben. In einem meiner Vorträge gebe ich eine „Bedienungsanleitung für einen klaren Kopf“. Diese halte ich mir aktuell oft vor Augen und führe sie aus. Denn was nützt die beste Bedienungsanleitung, wenn ich sie nicht anwende und in meiner Schublade einstaubt – deshalb teile ich sie heute mit Dir.

1. Erkennen, was Du beeinflussen und verändern kannst.

Wann immer wir uns über eine Situation aufregen oder wenn wir in eine Stresssituation gelangen, ist die erste Frage, was unser Stressfaktor ist und was davon wir aktiv beeinflussen können. Aktuell könnte dies zum Beispiel Angst vor Jobverlust, komplette Umorganisation des Alltags, Umsatzeinbruch und Absagen bis auf unbestimmt sein.

Frage Dich: Was daran kannst Du gerade aktiv ändern oder beeinflussen? Zurzeit sind wir alle sehr stark von Geschehnissen beeinflusst, die wir nicht verändern können. Und das widerstrebt stark unseren Bedürfnissen nach Handlungsspielraum, Autonomie und Kontrolle. 

Was bleibt? Zunächst einmal sollten wir konsequent die Basics in der Corona-Krise umsetzen – sozialen Abstand wahren und Händewaschen – und damit uns mitverantwortlich verhalten. 

Darüberhinaus können wir Handlungsmöglichkeiten in uns finden. Denn egal, was genau Dein Stressfaktor ist: Es gibt immer nur drei Optionen, wie wir mit einer Belastung umgehen. Diese Alternativen hast Du bestimmt schon einmal gehört:

1. Akzeptieren („love it“)

2. Verändern („change it“)

3. Verlassen („leave it“)

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Können wir etwas nicht aktiv durch unser Tun verändern, bleibt uns nur das „Akzeptieren“ oder das „Verlassen“ einer Situation. Verlassen meint nicht nur, sich von einer Person, einem Ort oder eine Arbeitsstelle tatsächlich zu trennen. Darüber hinaus bedeutet es auch, sich innerlich von Zielen oder Ansprüchen zu verabschieden. Und dieser innere Prozess bedeutet bereits ein „Verändern“ der inneren Haltung.

Ganz ehrlich, mir fällt dieser erste Schritt meiner eigenen Bedienungsanleitung schon sehr schwer. Die ersten Tage in der „C-Krise“ durchlebte ich stark meine eigene „Change-Kurve“, die typisch für den Umgang mit einschneidenden Veränderungen ist: Ich war schockiert „what the F***“ und handlungsunfähig, dann verneinte ich die Ausmaße „so schlimm wird es schon nicht, das kann ja gar nicht sein“. Am Wochenende beschäftigte ich mich intensiv und so sachlich wie möglich mit der Situation (Phase „Einsicht“) und verstehe seit dem, was passiert. Seit gestern befinde ich mich in der konstruktiven Phasen der „Akzeptanz“. Ich entdecke meinen Einflusskreis neu und finde meine positive Grundstimmung wieder. Ob es so bleibt? Vermutlich nicht dauerhaft. Es ist normal, sich auf der Change-Kurve vor und zurück zu bewegen – gerade während der ersten Phasen.

In diesen Zeitspannen heißt es nicht nur „Akzeptieren“, sondern auch „Verlassen“ bzw. „Loslassen“. Ich verabschiede mich von sämtlichen wirtschaftlichen Zielen für 2020. Das tut weh und ja, zwischendurch rutsche ich auch mal in die die vierte Option ab:

4. Leide weiter („suffer it“)

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Es ist okay, eine Zeitlang zu leiden, zu jammern. Ich erlaube mir das. Es ist absolut nachvollziehbar und so menschlich. Schließlich sind wir durch die radikalen gesellschaftlichen und unternehmerischen Maßnahmen alle betroffen. Wenn wir uns dagegen wehren und gegen unsere negativen Gefühle ankämpfen, werden sie nur noch stärker.

2. Irgendwann heißt es: Raus aus dem Jammertal

Doch dann frage ich mich auch immer mal wieder: Macht es mir Spaß, den ganzen Tag zu leiden? Nein. Will ich darauf warten, bis die Lage sich verbessert hat, dass es mir besser geht? Da kann ich vermutlich recht lange warten … Jeder ist selbst für seine Stimmung verantwortlich. Sonst niemand. Ich kam am Montag an den Punkt, wo ich auf mich in der Jammerstimmung keine Lust mehr hatte. Also sagte ich mir:

Ich jammere und ärgere mich nur so lange, wie es mir Spaß macht.

Aktuelle Nachrichten und Newsticker schaue ich mir auch nur so oft an, wie es mir gut tut.

3. Den Kopf beruhigen

Ich möchte die jetzige Situation nicht verharmlosen: Deutschland steht wirtschaftlich und gesellschaftlich fast still. Alle sind mehr oder weniger betroffen – körperlich oder wirtschaftlich. Die meisten von uns, auch ich, haben schlimmes Kopfkino. Es sind unsere mentalen Bewertungen der Situation, die für rasenden Stillstand zwischen den Ohren sorgen. Das ist „normal“. So funktioniert unser Stress-System. Unser Gehirn scannt den ganzen Tag ständig nach Gefahren und möchte uns davor warnen. Unser Alarm-System fährt gerade auf Hochtouren. Innerlich und unbewusst stellen wir uns zwei Fragen:

1. Wie entscheidend ist die Herausforderung gerade für mich persönlich?

2. Habe ich genügend Ressourcen, um mit der Herausforderung umzugehen?

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Ist eine Situation sehr bedeutend, hat sie große Auswirkungen auf mich, werde ich weniger Stress empfinden, wenn ich das Gefühl habe, dass ich ausreichend Ressourcen zur Verfügung habe. Dazu zählen zum Beispiel Erfahrung, soziale Kontakte, Menschen, die ich fragen kann, Kompetenzen, finanzielle Mittel, etc. Bei der aktuellen Corona-Krise fühlen wir alle eine hohe Wichtigkeit und Auswirkung auf unser Leben. Gleichzeitig fehlt uns allen die Erfahrung, wie wir mit so einer Krise umgehen – nicht nur organisatorisch sondern vielmehr auch mental und emotional. Es ist nachvollziehbar, dass wir angespannt sind.

Umso wichtiger ist, dass wir im Kopf Ressourcen aktivieren und ruhig bleiben. Folgende Fragen sind für mich die Best-Of-Fragen aus der Achtsamkeit für die aktuelle Situation, ich bezeichne sie als “Bremstechniken” für den Kopf. Sie unterstützen uns, dass wir eine gesunde Distanz zum Geschehen erhalten.

Frage 1: Ist es lebensbedrohlich oder unangenehm?

Frage Dich diese Frage ganz aktuell für diesen Moment. Bist Du jetzt gerade in Lebensgefahr? Nein. Denn Du liest diesen Artikel. Die Situation ist unangenehm, sehr unangenehm. Doch die allermeisten Menschen in Deutschland, auch Du und ich, sind aktuell nicht in Lebensgefahr.

Frage 2: Was ist real und was ist Kopfkino?

Mein typisches Beispiel für diese Frage ist eine E-Mail. Eine E-Mail ist objektiv ein elektronisches Dokument mit Zeichen. Je nach Absender und Betreff wird eine E-Mail jedoch sehr schnell zu einem riesigen Kopfkino. Unser Kopfkino tendiert zu Science-Fiction Horror-Szenarien … Frage Dich deshalb immer wieder: Was ist jetzt real und was ist jetzt mein Kopfkino für die Zukunft?

Frage 3: Was denke ich aktuell und ist dieser Gedanke gerade hilfreich?

Der negative innere Film wird zumeist von einem Hauptgedanken bestimmt. Welcher ist das bei Dir? Frage Dich ganz ehrlich: Ist dieser Gedanke für Dich hilfreich? Vermutlich nicht. Welcher Gedanke könnte Dir eher helfen? Mir helfen die Gedanken „Ich mache das Beste daraus.“ oder „Es wird weiter gehen, mir wird etwas einfallen.“

Frage 4: Was ist jetzt?

Frage Dich immer wieder: Was genau ist jetzt? Wo bist Du jetzt, was machst Du jetzt, was nimmst Du jetzt wahr? Bringe Dich immer mal wieder zurück in die Gegenwart. Nimm wahr, was Du wahrnimmst. Tue, was Du tust. Esse, wenn Du isst. Wenn Du eine E-Mail schreibst, schreib eine E-Mail. Dusche, wenn Du duscht.

Frage 5: Was ist jetzt wichtig?

Frage Dich übergeordnet oder auch von Moment zu Moment: Was ist jetzt wichtig?

Diese Fragen und unsere Antworten unterstützen uns, mental und emotional handlungsfähig zu bleiben. Gerade Frage 4 und 5 frage ich mich aktuell sehr häufig. Darüber hinaus hilft es, das wahrzunehmen, was läuft, was gut läuft – statt auf das, was nicht mehr geht. Das ist immer noch eine ganze Menge! Suche sinnbildlich die Gänseblümchen auf dem Weg und genieße sie für 10 Sekunden

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Probiere aus, was für Dich gut funktioniert. Schreib Dir einen Impuls aus diesem Blogbeitrag auf ein PostIt, so dass Du ihn immer vor Augen hast. Doch nicht nur eine Bedienungsanleitung lesen, sondern einfach mal machen. 

Ich wünsche Dir trotz allem gerade einen ruhigen Kopf und uns allen, dass wir konstruktiv und möglichst rasch durch diese Phase durchkommen. Bleibt gesund. Bleibt munter! Nehmt die Zügel für Eure Stimmung und Gesundheit in die Hand.

Teilt diesen Beitrag gerne! 

Und wenn Du noch mehr zu einem selbstbestimmten Leben erfahren möchtest: Kauf und les mein Buch „Kino. Kiffen. Und die neue Zügellosigkeit.“

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Fotos: privat

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