„Wie bleibe ich neutral beim Zuhören?“ ist die Frage in einem Listening Circle, bei dem ich vor ein paar Wochen teilgenommen habe. Der Aspekt „neutrales Zuhören“ ist neu für mich: Was ist es für mich, was bedeutet es für die anderen? Ich frage mich, ob ich überhaupt neutral sein kann beim Zuhören? Ich nehme die Frage seit ein paar Wochen mit und finde meine Antworten.
Neutrales Zuhören bedeutet für mich, dass ich …
- so wenig wie möglich werte, was ich höre.
- das Gehörte nicht automatisch mit meinem Erleben und mir bzw. Erlebten vergleiche.
- sehr offen und neugierig bin, was das Gesagte für die andere Person meint und bedeutet.
- mich mit automatischen Reaktionen bremse wie zum Beispiel Nicken, Lachen, Kopf schütteln, entrüstet oder auch innerlich gelangweilt sein.
- möglichst offen und neutral nachfrage – statt sofort zu werten und zu emotionalisieren, in ein „Gefallen-Wollen“ oder ein „ich muss jetzt Haltung zeigen“ zu kommen.
Ich beobachte mich und habe in den darauffolgenden Terminen die Intention, neutral zuzuhören und bemerke:
- Ich habe einen konstruktiveren, gesünderen Abstand im Austausch.
- Ich bin entspannter und ich habe das Gefühl, dass es insgesamt den Druck aus einem Gespräch nimmt. Ich benötige erst einmal gar keine Lösung oder was auch immer haben.
- Es fällt mir leichter zuzuhören, weil ich nichts erreichen will – außer die andere Person mehr zu verstehen. Und dabei unterstütze ich sie, dass sie sich selbst besser versteht.
Schon 1954 schrieb Carl Rogers, dass „vor allem die Neigung des Menschen, wertend zu urteilen, die Kommunikation erschwert“ … „Menschen, die gelernt haben, verständnisvoll zuzuhören, diese spontanen Regungen abmildern und dadurch wesentlich erfolgreicher mit anderen kommunizieren können“. Das unterstützt einen konstruktiven Austausch nicht nur im beruflichen sondern auch im privaten Kontext.
Diese Technik unterstütz auch bei inneren Dialogen mit sich selbst. Statt sofort etwas in gut oder schlecht zu werten, hilft es auch im Selbstgespräch einfach mal neutral zuzuhören und bei sich selbst neugierig und offen nachzufragen, was es ist, wo es herkommt und was es bedeutet.
Und wie geht das jetzt? Mir helfen zwei Dinge:
- Ich schreibe mir auf einen PostIt oder in mein Notizbuch einfach das Wort „Neutral“. Das erinnert mich an mein Ziel, neutral zuzuhören.
- Ich stelle mir vor, zwischen der anderen Person und mir steht ein kleiner Teller, eine Kaffeetasse oder ähnlich. Alles, was ich höre, ist auf dem Teller. Dort schaue ich es an und frage interessiert und neutral nach oder lasse es liegen. Dies schafft Abstand und unterstützt mich, neutral zu bleiben.
In welchem nächsten Gespräch möchtest du neutral bleiben?
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