Zuhören erleben – nicht nur darüber lesen
Seit Anfang April nehme ich an einem besonderen Zuhörtraining teil. Inzwischen bin ich in der achten Woche. Täglich 15 Minuten zuhören – mit wechselnden Partner\:innen, aber stets nach dem gleichen Ablauf. Jede Einheit ist klar strukturiert: Eine Minute Stille zum Ankommen. Dann beantworten wir nacheinander zwei vorgegebene Fragen:
Was erlebe ich gerade als Herausforderung? Wofür bin ich dankbar? .. und wie fühlt sich das im Körper an?
Dazwischen – und am Ende – wieder eine Minute Stille. Keine Kommentare, keine Rückfragen. Reines Zuhören. Und: keinerlei Bewertung. Kein Nicken, keine hochgezogenen Augenbrauen, kein Lächeln, kein „Ich weiß genau, was du meinst“. All das bleibt bewusst außen vor.
Ergänzt wird dieses tägliche Ritual durch wöchentliche Impulse aus der Kommunikationsforschung.
Erste Bilanz: Zuhören ist keine Technik, sondern eine Haltung
Jetzt, kurz vor Abschluss des Trainings, ist es Zeit für ein erstes Fazit.^
Anfangs war ich zurückhaltend optimistisch. Was sollten schon 15 Minuten täglich bewirken? Würde es nicht eintönig werden, immer die gleichen Fragen zu beantworten?
Heute weiß ich: Nein. Es wird nicht langweilig. Ganz im Gegenteil. Ich habe in diesen acht Wochen mehr über das Zuhören gelernt als durch viele Bücher – weil ich es erlebt habe. Jeden Tag neu. Auch an Wochenenden, auch an Feiertagen. Und obwohl es nicht immer einfach war, diese 15 Minuten in den Alltag zu integrieren, war es jeden einzelnen Tag lohnenswert.
Entlastung durch Struktur
Die klare Struktur und die vorgegebenen Worte schenken mir Entlastung. Ich kann loslassen, ankommen, einfach da sein. Ich muss nichts „leisten“, nichts interpretieren. Es geht nicht darum, auf verschiedenen Ebenen zuzuhören oder innerlich kluge Verknüpfungen zu ziehen.
Im Gegenteil: Es geht ums Nicht-Tun, ums reine Dasein. Um die Präsenz in einer Haltung, die bewusst wertfrei ist. „Wir trainieren eine Haltung“, heißt es im Training. Genau das spüre ich.
Zugehört werden: Zwei mal 150 Sekunden, die nur mir gehören
In diesen 15 Minuten bin ich nicht nur Zuhörerin – ich bin auch Zugehörte. Ich bekomme Raum, um von meinen Herausforderungen und meiner Dankbarkeit zu sprechen. Zwei mal 150 Sekunden, in denen ich nicht unterbrochen werde.
Zu Beginn habe ich überlegt, was ich sagen möchte. Doch mit der Zeit wurde mir klar: Sobald ich überlege, bin ich nicht mehr ganz bei der anderen Person oder in der Stille. Also antworte ich mehr und mehr spontan – aus dem Moment heraus. Ich spüre stärker in meinen Körper hinein. Herausforderungen zu fühlen, fällt mir leicht. Dankbarkeit körperlich zu spüren – das ist neu. Ich kannte sie bisher eher als Gedanken oder Worte, die ich aufschreibe. Nun wird sie körperlich spürbar.
Zuhören verändert auch mein Sprechen
„Wir trainieren, bewertungsfrei zu sein“, höre ich jede Woche. Das zeigt Wirkung – auch über das Training hinaus. Nach der ersten Einheit erzähle ich begeistert beim Familienbrunch vom Konzept. Und? Ich werde – natürlich – prompt bewertet. Wir lachen. Ein schönes Beispiel, wie allgegenwärtig Bewertungen sind.
Auch beim Zuhörtraining freue ich mich über kleinste Gesten – ein Nicken, ein Lächeln. Und ich merke, wie irritierend es ist, wenn selbst mein Ehemann plötzlich völlig bewertungsfrei zuhört.
Zuhören als Transformationsmoment
Jetzt, nach acht Wochen, kann ich sagen: Das Training hat etwas in mir verändert. Ich höre nicht nur anderen besser zu – ich höre auch mir selbst anders zu.
In einer konfliktgeladenen Situation bemerke ich: Ich reagiere nicht impulsiv. Ich nehme den inneren Impuls wahr – und entscheide mich, ruhig zu bleiben. Ich sage: „Das gibt mir gerade einen Schlag in den Magen. Das fühlt sich nicht gut an. Ich möchte das nicht ohne die betreffende Person besprechen.“
Das hätte ich früher nicht so formulieren können. Heute kann ich sagen: Ich höre besser zu – anderen und mir selbst. Nicht nur meinem Körper, sondern auch den leisen, wohlwollenden inneren Stimmen.
Mehr Infos zu diesem Training findest du hier: https://www.momohoertzu.de/momo-training
Ich empfehle dieses sehr gerne weiter – unbezahlte Werbung.
Und wenn du denkst: Zuhören, das wäre eine Kompetenz, die mehr bei uns in die Organisation kommen muss, dann melde dich gerne und wir besprechen Ansatzmöglichkeiten.
Danke ❤️
liebe Anke, wir kennen uns nicht und doch fühle ich mich sehr mit dir verbunden. ich war in den anfangszeiten auch einer der Momos. es erfreut mein Herz zu lesen, welche Veränderungen es bei dir hervorgerufen hat. nachdem ich immer noch in diesem Business bin, darf ich deine Erlebnisse nutzen um anderen Menschen davon zu berichten? liebe Grüße Sebastian von einfachzuhoeren.com
Gerade bereite ich einen Workshop zum Zuhören vor. Und wie es sein sollte, bin ich bei diesem Beitrag gelandet, der mich bewegt und berührt. Denn ich spüre auch, Zuhören ist Haltung und zum Innehalten braucht es still werden. Vielen Dank.