Führung: Wie Du vertrauensvolle Beziehungen aufbaust – mit Checkliste zur Selbst- und Fremdeinschätzung

„Die Beziehung zur unmittelbaren Führungskraft ist die Achillesferse der Arbeitszufriedenheit.“ meint Reinhard Sprenger*. Dieses Zitat sah ich vor kurzem in meinen Unterlagen. Ich dachte spontan an meine eigene Achillessehne. Diese ist zur Zeit ein wenig angestrengt, weil ich meinen Laufstil ändere. Die Achillessehne ist zentral, um die Hebelkraft des Fußes zu nutzen. Je besser ich auf meine Achillesferse inkl. der Sehne aufpasse, umso leichter werde ich beim Laufen vorankommen. In der Führung und in der Zusammenarbeit sind vertrauensvolle Beziehungen die „Achillesferse“, also der entscheidende Punkt. Je gesünder diese Beziehungen sind, umso kraftvoller und aus sich selbst heraus werden Menschen sich bewegen und Veränderungen bewirken. Ähnlich wie beim Laufen brauchen wir dazu nur ein paar Basics im Alltag.

Führung & Vertrauen: Wieso es immer wichtiger wird

Sinnbildlich verändert sich die Arbeitswelt von einem klar strukturierten Holzhaus zu einem Klettergerüst. Konnten wir uns in der strukturierten Welt sehr gut orientieren, ist die „neue“ Arbeitswelt sehr offen, transparent und fluide. Die Aussage einer Kundin zu ihrer Kollegin beschreibt den Wandel sehr gut: „Früher wusste ich genau, was ich zu tun hatte und was/wo mein Platz im Team ist. Das verändert sich! Jetzt weiß ich das nicht mehr so genau. Die Teams sind ganz neu zusammen gestellt und wir sitzen nicht jeden Tag am selben Platz.“

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Wenn die Umgebungsbedingungen weniger kontrollierbar und vorhersehbar werden, sehnen wir uns nach mehr Sicherheit in den Beziehungen – wir wollen den Menschen vertrauen, insbesondere der Führungskraft. Die Studien von Gallup* belegen: 

Ist die Beziehung zur Führungskraft schlecht, sind weniger Engagement sowie Kündigungen häufig die Folge. 

Das beabsichtigst Du natürlich nicht! Du als Führungskraft möchtest, dass Dir Deine Kollegen und Mitarbeiter vertrauen. 

Es ist die wichtigste Aufgabe von Führung, eine übergeordnete Stabilität in Beziehungen zu unterstützen. 

Die Beziehungsfähigkeit wird auch für Mitarbeitende wichtiger, wenn sie in selbstorganisierten Teams zusammenarbeiten. Doch wie genau geht das jetzt – wie lässt sich vertrauensvoll zusammen arbeiten?

Vertrauensvolle Beziehungen: Eine Definition

Vertrauen ist ein Gefühl oder bildlich ausgedrückt: Vertrauen ist die Brücke über den Fluss der Unsicherheit zwischen zwei Menschen. Überlege einmal: Welchen Menschen vertraust Du? Wieso ist das so? Notiere Dir kurz Deine Antworten bevor Du weiterliest.

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Bleiben wir beim Bild der Brücke. Eine Brücke zu bauen braucht Zeit. Für eine Brücke benötigen wir Materialien. Die grundsätzlichen, wissenschaftlich fundierten Bausteine für das Gefühl von Vertrauen sind die Teilgefühle

1. Gefühl von Klarheit – „Ich verstehe was passiert.“ – symbolisiert durch einen Kompass. 

2. Gefühl von Machbarkeit – „Ich schaffe meine Herausforderungen.“ – symbolisiert durch eine Hand. 

3. Gefühl von Bedeutung – „Die Herausforderungen sind lohnenswert für mich.“ – symbolisiert durch ein Herz.

Diese drei Bausteine habe ich für vertrauensvolle Beziehungen übersetzt. Vertrauensvolle Beziehungen sind diejenigen, wo Du folgende Empfindungen hast

1. Gefühl von Klarheit – „Ich empfinde die Person als klar und berechenbar mir gegenüber.“

2. Gefühl von Machbarkeit – „Ich empfinde die Person als unterstützend und verantwortungsvoll mir gegenüber.“

3. Gefühl von Bedeutung – „Ich empfinde die Person als wertschätzend und respektvoll mir gegenüber.“

Schau jetzt noch einmal Deine Notizen an: Welchen Menschen vertraust Du und wieso? Welche Punkte sind erfüllt? Wie lange kennst Du diese Menschen schon?

Vertrauen aufzubauen, eine Brücke zwischen Menschen zu bauen, das braucht Zeit. Es ist ein Annähern von beiden Seiten. Im organisationalen Kontext fehlt zu häufig dieser Raum, um sich abseits von Kennzahlen sowie Fachlichkeiten kennen zu lernen und Brücken zu bauen.

Paradox! Denn stabile, vertrauensvolle Beziehungen fühlen sich für uns gut an. Sie geben uns Energie. Insbesondere das Gefühl „ich werde gesehen, respektiert, ich habe eine Bedeutung für den Anderen“ wirkt wie ein Energiebooster.

Wie geht das nun? Braucht es einen Workshop? Nein. Auch der ganz normale Joballtag bietet genügend Möglichkeiten, vertrauensvolle Beziehungen aufzubauen.

Vertrauensvolle Führung: Mit diesen Basics schaffst Du Vertrauen bei Deinen Mitarbeitern

Die folgende Liste gibt Dir einen Überblick, wie Du im Führungsalltag die Brücke aufbauen und stärken kannst. Das Gute: Es sind wirklich Basics, es ist kein Hexenwerk. Wie immer kommt es darauf an, es wirklich zu tun. Wenn Du die Liste durchgehst, frage Dich, was Du bereits schon machst. Am Ende des Artikels findest Du die Liste zum Download als PDF.

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1. Gefühl von Klarheit in Beziehungen – ich bin klar & berechenbar

• Ich rede klar und verständlich – sowohl im Tempo als auch in der Wortwahl.

• Ich bin berechenbar – andere wissen, wie ich ticke.

• Ich bin verlässlich – Termine und Abmachungen halte ich ein.

• Ich frage nach, wenn mir etwas unklar ist.

• Ich äußere meine Erwartungen an die Zusammenarbeit.

• Ich schaffe möglichst viel Transparenz in meiner Zusammenarbeit und äußere Gedankengänge, Emotionen, innere Widerstände, etc.

2. Gefühl von Machbarkeit in Beziehungen – ich bin unterstützend & verantwortungsvoll

• Ich übernehme Verantwortung für mein Verhalten in der Beziehung statt auf die andere Person zu warten und zu beschuldigen.

• Ich gestehe Fehler ein.

• Ich gebe Rückendeckung – die andere Person kann sich auf mich verlassen.

• Ich kann meine Kompetenzen/Erfahrungen in der Zusammenarbeit einsetzen.

• Ich gebe mein Wissen und meine Erfahrungen gerne weiter.

• Ich habe verschiedene Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit der Person gemacht.

3. Gefühl von Bedeutung – ich bin wertschätzend & respektvoll

• Ich nehme mir Zeit für die Begegnung.

• Ich möchte, dass eine Begegnung mit mir als lohnenswert empfunden wird und bereite mich gut vor.

• Ich höre wirklich zu und interessiere mich für die andere Person und ihre Situation/Standpunkt.

• Ich bin pünktlich.

• Ich bin in Gesprächen und Terminen präsent – und nicht mit E-Mails oder anderen Themen innerlich beschäftigt.

• Ich bin Feedback-fähig und bin dankbar für Verbesserungsideen.

• Ich begegne meinen Kollegen respektvoll auf Augenhöhe – statt mich überlegen zu fühlen.

• Ich zeige mich als Mensch, auch einmal verletzlich ohne Maske und gebe so der anderen Person die Sicherheit, sich auch zu öffnen und als Mensch zu zeigen.

Und – wie ging es Dir, als Du die Liste durchgegangen bist?

Ich bin sicher, dass Du einige Aspekte schon umsetzt. Vielleicht hast Du auch gedacht: Ja klar mache ich das, das ist doch selbstverständlich, das ist mir fast zu banal. Dann sieh es als Bestätigung. Oder gab es Punkte, bei denen Du Dich ertappt gefühlt hast? Auch gut. Dann weißt Du, wo Du Dich verbessern kannst.

Du kannst die Liste auch nehmen, um gute bzw. „ruckelige“ Beziehungen zu analyiseren: Was trifft auf die andere Person zu/nicht zu? Bei welchen Aspekten fühlt sich das Verhältnis gut/nicht gut an? Deine Antworten helfen Dir auch, diesen Menschen detaillierter Feedback zu geben.

Nicht ohne Grund sind die meisten Punkte bei dem „Gefühl von Bedeutung“. Es ist unser größtes Bedürfnis, dass wir gesehen und respektiert werden möchten. Ist dies erfüllt, fühlen wir uns motiviert und energiegeladen.

Führung & Beziehungsfähigkeit: Die Achillesferse im Alltag trainieren

Beim Laufen achte ich nun mehr darauf, dass ich mich am Anfang eines Trainings aufwärme und mir danach Zeit zum Dehnen der Wade nehme. Das sind nur ein paar Minuten am Tag. Und ich glaube, es ist mal wieder Zeit für neue Laufschuhe. Denn falsches oder abgenutztes Material kann Verletzungen unterstützen.

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Was heißt es für Dich im Führungs- bzw Joballtag?

1. Nimm Dir Zeit zum „Aufwärmen“ in Gesprächen oder auch Meetings: Ein paar Minuten für Persönliches abseits von Kennzahlen und Fachlichkeiten baut eine gute Beziehungsebene auf. Inhaltliches kann danach leichter besprochen werden. Ein wirklich interessiertes Nachfragen nach dem Wochenende oder dem letzten Urlaub oder auch was seit dem letzten Termin passiert ist, sind nur einige Möglichkeiten. Das „Check-In“ bei vielen agilen Methoden ist ein anderes Beispiel. Ist jemand neu in der Zusammenarbeit? Frag sie oder ihn, welchen Background sie hat.

2. Nimm Dir Zeit für’s „Dehnen“ der Beziehungen, auch wenn es Dir ein wenig ungewohnt oder passiv vorkommt im Vergleich zum Aktivsein. Suche Dir einen Aspekt aus der Liste aus, auf den Du eine Woche lang achten möchtest. Beobachte, wie Du Dich dabei fühlst. Kannst Du Dich einlassen? Beim Dehnen geht es um einen langsamen Prozess. Es ist nicht ruckartig. Es sind kleinste Veränderungen auch in den Beziehungen, die einen großen Unterschied machen.

3. Zieh „neue“ Schuhe an. Reflektiere, mit welcher Haltung Du führst. Was denkst Du, wie müsste eine Führungskraft kommunizieren? Von oben herab? Fehlerfrei? Überlege, welche inneren Bilder oder auch Glaubenssätze über Führung abgenutzt oder veraltet sind. Welche neuen Gedanken über Führung und Zusammenarbeit wären statt dessen hilfreich? Beobachte, probiere aus.

4. Zum Anderen meine ich sinnbildlich: Zieh die Schuhe Deiner Kollegen bzw. Mitarbeitenden an. Frage Dich: Wie würden sie die Checkliste für mich ausfüllen? Wie nehmen sie mich wahr? Wenn Du ganz mutig bist: Geh die Liste einmal mit einem Kollegen durch und frage offen nach einer Fremdeinschätzung.

5. Achte auf Deine innere Haltung – wozu möchtest Du bessere Beziehungen erreichen? Mache es Dir und der anderen Person zu Liebe. Nicht, weil Du damit ein besseres Ergebnis erreichen kannst. Pflege Deine Beziehungen. Sie brauchen lange, bis sie stabil sind und sind gleichzeitig so verletzlich.

Jetzt wünsche ich Dir viel Freude beim Brückenbauen!

Welche Punkte in der Liste findest Du besonders wichtig? Gibt es was, was Dir fehlt? Dann schreibe es gerne in den Kommentaren.

Dir gefällt der Artikel und die kostenfreie Checkliste? Super! Dann gib etwas zurück, indem Du den Artikel in Deinen Netzwerken teilst, meine Bücher oder Vorträge empfiehlst. Die Businesswelt braucht mehr Menschlichkeit! Ganz herzlichen Dank.

Hier ist wie versprochen die Checkliste “Selbst-/Fremdeinschätzung vertrauensvolle Beziehungen”: 

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Quellen:

Bilder: privat

Reinhard Sprenger: Das Prinzip Selbstverantwortung

Studie über Beziehungsfähigkeit (https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/cdev.12864), gelesen bei managerSeminare Heft 255 | Juni 2019 in „Kannst Du Beziehung?“. 

Unter Anderem wurden fünf Kompetenzen für Beziehungsfähigkeit genannt:

1. „Eine adäquate Selbstwahrnehmung: die eigenen Gefühle deuten können; die eigenen Motive, Stärken und Schwächen kennen

2. Eine bewusste Selbststeuerung: Gefühle und Verhalten zu kontrollieren verstehen; zuverlässig und situationsangemessen vorgehen

3. Empathie

4. Gutes Beziehungsmanagement: gesunde zwischenmenschliche Beziehungen aufbauen; konstruktiv mit Kritik umgehen und kommunizieren

5. Verantwortungsvolles Entscheidungsvermögen: in unterschiedlichen Situationen konstruktive Entscheidungen treffen.

Zusammenfassung von der Gallup-Studie 2017 https://blog.wiwo.de/management/2017/03/22/gallup-studie-vorgesetzte-schaedigen-die-firma-wenn-sie-das-thema-fuehrung-nicht-beherrschen/ 

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