Ich werde oft gefragt, ob ich denn selbst so lebe wie ich es vermittel, ob ich die vielen Tipps selbst praktiziere. Ja. So weit wie es mir möglich ist. Ich habe den Luxus, mich jeden Tag mit meinem Lieblingsthema zu beschäftigen. Für diesen Luxus habe ich mich bewusst entschieden – mit allen Pros und Contras. Und natürlich setze ich sehr vieles selbst um: Viele Momente der Selbstreflexion, der Routinen zum Abschalten und Auftanken, eine typgerechte Ernährung, das bewusste Steuern meiner Gedanken und Emotionen sowie das Ausleben meiner Werte. Hört sich gut an, oder? Finde ich auch.
Und doch ist es mir passiert. Auch als Beraterin für Selbstführung bin ich ein Mensch, habe Stärken und Schwächen und bin verletzlich. Seit September habe ich „Rücken“. Zuerst hat es mit einem leichten Ziehen angefangen, nachdem ich wohl zu intensiv für meinen nächsten Halbmarathon trainiert habe. Ein wenig Tempo rausnehmen, mehr Dehnen, Osteopathie – und dennoch ging es nicht weg. Letztlich hat mein Körper mehrere Wochen sein Bestes gegeben, ohne dass ich es gemerkt habe: er hat kompensiert. Doch vor kurzer Zeit wurde es ihm zu viel und er hat mir deutlich zu verstehen gegeben: Stehenbleiben. Diagnose: Bandscheibenvorfall. Achsbruch meiner Kutsche. Die Kutscherin steigt von der Kutsche ab, vom best-gefederten Sitz im System und stellt fest: die innere Federung ist kaputt. Was also tun?
Unzählige Rückenexperten meldeten sich in meinem Umfeld und ungefragt zu Wort mit ihren Ratschlägen: Du muss Dich weiter bewegen, Du musst Gymnastik machen, Du musst zur Thai-Massage, Du musst Pilates machen – und Yoga!, Du musst basisch essen, Du musst zur Japanischen Massage, Du musst die Sphinx machen, Du brauchst PRT Spritzen, usw. usf.
An sich weiß ich, was gut für mich und mein körperliches System ist. Doch ich gebe zu: Ich war ungeduldig, ich wollte am Gras ziehen und so die Genesung beschleunigen und habe einiges ausprobiert. Das hat nicht gut funktioniert. Und so besinne ich mich auf die älteste Gesundheitsweisheit zurück, dem Ayurveda mit seinen weisen, typgerechten Empfehlungen. Das verbindet sich wunderbar mit dem Konzept der Achtsamkeit. Was mein bewegtes System braucht, ist eine Systempause: Ruhe. Kein Tun. Kein Optimieren. Ab in den mentalen Strandkorb. Einfach mal anhalten, achtsam sein, wahrnehmen. Nichts tun – okay, sehr wenig tun, doch an meine körperliche Kutsche lasse ich nur ausgewählte Experten heran. Ich kann nicht am Gras ziehen.
Mir ist mal wieder bewusst geworden, in welchem „Tu-System“ wir automatisch stecken. Egal was ist, wir meinen, wir müssten etwas „dagegen“ tun. Ich bin davon überzeugt, dass wir einfach mal sein dürfen. Innehalten, hineinhören, Reflektieren und Abstand nehmen im persönlichen Strandkorb – in unser ganz eigenes System hineinhören – denn dafür sind wir die besten Experten. Nachdenken, was es braucht – sowohl jetzt in der Situation als auch in Zukunft, damit die Kutsche wieder rund läuft. Manchmal braucht es kein Tun, sondern ein Nicht-Tun, ein Warten. Einfach mal das Gras wachsen lassen.
Ich werde die Zügel in die Hand nehmen und daraus lernen, eine noch bessere Kutscherin zu werden.