Kann ich das wirklich machen, was denken die Adressaten über mich, wenn ich sie zum Thema Zuhören befragen möchte? Ist es nicht doch angenehmer, einfach in meinem Süppchen zu kochen, zu schreiben und mich in meiner eigenen Gedankenwelt zu verstecken? Der Kopf sagt ja. Das Herz schreit nein! Mach es! Trau dich! Und stelle ich mir meine eigene Austricksfrage „Was ist dein höchstes Zukunftspotential und wie kannst du heute daraus agieren?“ dann kommen gar keine Zweifel auf und ich spüre: mach es einfach.
Das Thema Zuhören räsoniert
Und da bin ich nun. Mitte Januar frage ich circa 20 Führungskräfte und Change-Begleitende, ob sie mitmachen möchten und mir 60 Minuten ihrer Zeit geben. Die Resonanz ist sehr gut. In den letzten zwei Wochen habe ich bereits sieben Gespräche geführt und ausgewertet. Es ist ein halbstrukturiertes Interview, ein paar Fragen stelle ich auf jeden Fall und ansonsten ist es ein offener Austausch, der an den unterschiedlichsten Stellen tiefer geht. Jedes Gespräch ist anders und bringt einen anderen Aspekt hinein.
Was bringt mir zuhören?
Schon während und nach dem ersten Austausch spürte ich, dass es sich gelohnt hat, über die eigene Transformationsschwelle und aus der Komfortzone heraus zu gehen. Zugleich entwickelt sich parallel eine tiefe Frage: Was bringt mir zuhören?
In der professionellen Rolle finde ich die Antworten schnell und höre dies auch häufig: ich fühle mich wertgeschätzt, gesehen und akzeptiert, wenn mir zugehört wird. Das steigert die Zufriedenheit, Motivation und bestimmt auch die Mitarbeiterbindung.
Und wenn ich die Person bin, die zuhört, verfolge ich damit im professionellen Kontext ein Ziel. In meinem Fall möchte ich das Thema „Zuhören als Führungskompetenz in Veränderungsprozessen“ beleuchten, mit meinen Interviewpartnern gemeinsam weiter zu entwickeln, mir die Arbeit dadurch leichter zu machen und hoffentlich am Ende etwas Inspirierendes und relevante Beobachtungen zurückgeben zu können. Zuhören ermöglicht somit Beteiligung und letztlich hoffentlich einen besseren (Veränderungs-)Prozess. Damit scheint Zuhören ein wichtiger Hebel zu sein, dass strategische Veränderungen besser umgesetzt werden und das Ziel erreichen – siehe dazu auch andere Forschungsergebnisse hier
Und abseits aller beruflichen Ziele, Prozesse und Purposes – was bringt es mir bzw. uns als Mensch, wenn ich zuhöre, wenn wir zuhören? Schließlich mache ich möglichst viel von dem, was einen persönlichen Nutzen hat, oder? Ist das wirklich so?
Ist zuhören selbstlos?
Ich finde es erschreckend, dass anscheinend alles einen Nutzen haben muss. Was also bringt mir zuhören persönlich, also wenn ich zuhöre und meine Aufmerksamkeit bewusst von mir weg lenke? Ich weiß es noch nicht abschließend. Erste Antworten sind: ich bin voll im Hier und Jetzt, das Geplapper im eigenen Kopf ist gar nicht oder weniger da und vor allen Dingen spüre ich Resonanz mit der anderen Person, was mir wiederum Energie gibt. Und ich lerne so viel: Über mich (und meinen Drang nicht zuzuhören sondern zu analysieren, zu lösen, ratzugeben, abzulehnen), mein Gegenüber und unsere Beziehung.
Ich werde dies weiter beobachten auf persönlicher und professioneller Ebene. Eine Auswertung und ein Fazit zu den Interviews werde ich im zweiten Quartal veröffentlichen.
Wie ist es für dich?
In der Zwischenzeit bin ich neugierig: Wie ist es für dich? Welche Erfahrungen machst du beim Zuhören oder als Zuhörende:r? Bist du Führungskraft oder Change Coach in einer Organisation, hast 60 Minuten Zeit und möchtest bei der kleinen Studie mitmachen?